Die Deutsche Bundesbank feiert Anfang August d. J. ihr 60-jähriges Jubiläum! Das Motto: Seit 1957 sorgt die Notenbank für stabiles Geld in Deutschland und Europa.

www.geldanlagen-nachrichten.de liefert in den kommenden Monaten eine ausgedehnte Serie zum Thema deutsches Geld und Geldpolitik von der Nachkriegszeit über die Währungsreform mit der Einführung der D-Mark 1948 bis zum Euro von Heute.

Von Christoph Wehnelt

 

 Nr. 12

Karl Otto Pöhl auf dem Absprung

 

Seit den Zerwürfnissen um die deutsch-deutsche Währungsunion driftete Bundesbankpräsident Karl Otto Pöhl auch im deutschen Regierungslager mehr und mehr ins Abseits. Pöhl: „Brüssel – Delors – haben die Propaganda-Maschine gegen mich in Gang gebracht.“ Paul Volcker, ehemaliger Präsident des US-Notenbank-Systems, wird zitiert: „Wenn in meiner Amtszeit der amerikanische Präsident ein Mitglied des Board für einen Sonderauftrag ins Weiße Haus beordert hätte (wie in Bonn mit Tietmeyer geschehen) wäre ich am nächsten Tag zurückgetreten. Wenn es intern um die Bundesbank so steht, wie es den äußeren Anschein hat, dann wäre es in der Tat sehr schlimm.“  Obwohl Pöhls Vertrag noch bis einschließlich 1995 lief, sah er sich veranlasst im Frühjahr 1991 die Segel zu streichen. Am 16. Mai 1991 hat der Bundesbankpräsident eine persönliche Erklärung abgegeben, die neun Punkte umfasste und einiges an Freud und Leid in seiner Amtszeit spiegelt:

 

„Ich habe heute den Zentralbankrat von meinem Wunsch in Kenntnis gesetzt, im Laufe dieses Jahres aus persönlichen Gründen aus dem Amt zu scheiden. Als Zeitpunkt meines Ausscheidens ist, im Einvernehmen mit der Bundesregierung, Ende Oktober ins Auge gefasst worden.“ (Tatsächlich: 31.7.91)

 

So geht denn die beispiellose Karriere des Karl Otto Pöhl ihrem Ende entgegen. Der britische „Economist“ hatte ihn schon als Karl Otto von Bismarck  bezeichnet. Brite Terry Thomas, leitender Direktor der Cooperative Bank und Vorsitzender der Gewerkschaftsbank Unity Trust, lobte: „Verglichen mit Pöhl sind einige EG-Wirtschaftsminister Pygmäen.“ Viele Pygmäen sind auch des Riesen Tod.

 

Nach und nach tritt eine der großen Persönlichkeiten der deutschen Hochfinanz in den Hintergrund. Pöhl (Jahrgang 1929) hatte als Journalist begonnen, nachdem er vorher schon beim Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung  als Volkswirt gerabeitet hatte. Erst die Journalistentätigkeit brachte ihm aber die wichtigen Kontakte in Bonn und weitere Karriere-Orientierungen.  1958 wechselte Pöhl zum Bundesverband deutscher Banken, und zwar in die Geschäftsführung. 1970 trat er in die Dienst der Bundesregierung, von 1972 bis 1977 war er als Staatssekretär im Bundesfinanzministerium für nationale und internationale Währungspolitik zuständig. Als persönlicher Beauftragter von Bundeskanzler Helmut Schmidt bereitetem er die Gipfelkonferenzen in den Jahren 1975 – 77 vor. Sehr bald schaffte er es als „Schmidt-Vertrauter“ zum Vizepräsidenten der Deutschen Bundesbank, wo er seit Januar 1980 als Präsident agiert.

 

Hatte er im Auftag der Bonner Regierung Ende der 70er Jahre das Europäische Währungssystem EWS mitentwickelt, so fiel ihm in den 80er Jahren und besonders seit Anfang 1990 die Vorbereitung der Europäischen Währungsunion zu. Dabei hat er einen Zug verpasst, nämlich sich rechtzeitig an die Spitze der deutsch-deutschen Währungsunion zu setzen.

 

Seit dem 1.1.1990 ist Pöhl Vorsitzender des Ausschusses der EG-Notenbank-Gouverneure. In diesr Eigenschaft hat er an hervorragender Stelle das Statut der Europäischen Zentralbank formuliert, das jetzt den Regierungen vorliegt und der europäischen Währungsakte, die noch in diesem Jahr verabschiedet werden soll, beigehftet werden soll. Pöhl ist ein klar denkender politischer Kopf mit großer Formulierungskunst und ebenso strategischen wie witzigen Gedanken. Einige Zitate von ihm: Zum Tango gehören immer zwei, auch in der Geldpolitik.“

 

„Es ist für mich ein persönliches Problem, dass manche in meiner Politik deutsches Hegemonialstreben sehen. Das macht mich bei einigen unbeliebt. Es gibt natürlich auch einpaar Leute, bei denen ich ganz schön beliebt bin. Ich bin das Gegenteil eines Nationalisten.“

 

„Ich bin ein Karl Schiller Sozialist.“

 

„Geldpolitik  muss zentralistisch geführt werden. In diesem Punkt ist die Bundesbank nicht föderalistisch.“

 

„Hans-Jochen Vogel hat kritisiert, dass mein Mitgliedsbeitrag bei der SPD zu gering ist.“ 1948 ist Pöhl der SPD beigetreten. „Kommunist wollte ich damals nicht werden, nach dem was in der Sowjetzone geschah.“

 

„Soll aber bitte niemand behaupten, dass die deutsche Volkswirtschaft und damit die D-Mark durch meinen Rücktritt schwächer werden. Vielleicht wird das Kolorit weniger farbig bei den Leuten, die Deutschland repräsentieren.“ An wen auch immer Pöhl dabei gedacht hat, seinen Nachfolger kann er damit nicht gemeint haben. Denn dieser hat noch einmal die Welt der europäischen Geldpolitik nach den klaren Strategien und in voller Souveränität der Bundesbank ausgerichtet.

 

Pöhl hat die Entscheidung der Bundesregierung sehr begrüßt, den bisherigen Vizepräsidenten, Prof. Dr. Helmut Schlesinger, zum Präsidenten und das Mitglied des Direktoriums, Dr. Hans Tietmeyer, zum Vizepräsidenten der Deutschen Bundesbank zu bestellen. Damit sei die Kontinuität der Bundesbankpolitik sichergestellt.

 

Bundesbankpräsident Karl Otto Pöhl hat der Bundesregierung gedankt, dass sie die Nachfolgefrage so schnell und überzeugend entschieden hat. Dies habe das Vertrauen in die Stabilität der D-Mark und in die Unabhängigkeit der Bundesbank gestärkt.

 

Hoch klingt das Lied vom braven Mann

 

Schlesinger hatte selbst nicht mehr daran geglaubt, dass er noch an die Spitze des Hauses berufen würde. „Das kam für mich völlig überraschend.“ Aus Bayern schallen Jubelrufe, weil nun einer ihrer Söhne aus dem Voralpenland die oberste Sprossenleiter bei der deutschen Notenbank erklommen hat.

Schlesinger wurde am 4. September 1924 in Penzberg geboren als Sohn eines Einzelhandelskaufmanns und Glasermeisters. Somit hat er alle guten und schwierigen Merkmale eines Oberbayern im Sternbild der Jungfrau. Ungeheuer zäh und penibel kämpft der von Jugend auf begeisterte Bergsteiger an der Finanzfront für die Geldwertstabilität in Deutschland und Europa und das seit Jahrzehnten. Nach Studium und wissenschaftlicher Arbeit in München – dazu gehörten Promotion und der erste Arbeitgeber Ifo-Institut, kam Schlesinger schon 1952 in die Bank deutscher Länder, der Vorläuferin der Deutschen Bundesbank.

 

Die Belegschaft zieht starke Motivationen aus dieser Karriere, hat es doch einer ihrer Leute vom wissenschaftlichen Angestellten bis an die Spitze gebracht. Für Schlesinger liegt der Vorteil dieser Ochsentour darin, dass ihn keine Höhen und Tiefen, keine Licht- und Schattenseiten der Bundesbankorganisation unergründlich geblieben sind.

 

Ab 1964 leitete er die Hauptabteilung „Volkswirtschaft und Statistik“, jenen Bereich, der die gesamtwirtschaftlichen Analysen, Prognosen sowie die national und international so hoch gelobten Monatsberichte erarbeitet. Gerade Letzteren widmete Schlesinger immer höchste Aufmerksamkeit bei eigenhändiger Redaktion. Auf diese charmante Weise hatte Schlesinger einen absoluten Wissensvorsprung. Er war stets klüger als alle anderen, insbesondere als seine Chefs, was ihn nicht beliebter machte, weil er oft auch mit Pedanterie seine Vorstellungen durchzusetzen wusste.

 

Seiner Idée fixe der Geldwertstabilität fiel zum Beispiel auch der interne Bonner Vorschlag für die Herausgabe einer Goldmünze zur Wiedervereinigung Deutschlands zum Opfer. Allerdings hat er sich stets auch gegen die Abschaffung der kupfernen Pfennige gewehrt, wie sie in Bonn auch schon mal erörtert worden war. Außerdem hat sein Vater, der Kaufmann,  in den schlechten Zeiten des Reiches und der Nachkriegszeit, oft genug den Pfennig mehrfach umdrehen müssen, um mit seinem Laden zurechtzukommen. Sollte dies alles umsonst gewesen sein? Mit diesem Sohn an dieser Stelle nicht.

 

Als der amerikanische Außenminister, James Baker, noch Finanzminister war, soll er die Vermutung geäußert haben, dass Schlesinger unter jedem Kieselstein die Inflation vermute. Schlesinger ließ sich auch nicht beirren, als ihn Baker im November 1987 persönlich für die angeblich übertriebene antiinflationäre Politik und damit auch für den weltweiten Börsenkrach im Oktober des Jahres verantwortlich machte.

 

Schlesinger reagierte damals mit einem nüchternen Hinweis auf die Pflicht der Bundesbank, für Preisstabilität zu sorgen und verwahrte sich entschieden gegen den Vorwurf, eine unangemessen restriktive Geldpolitik zu betreiben und wies darauf hin, dass zwei Jahre hintereinander eine das Wachstum der Produktionskapazitäten bei weitem überschreitende Expansion der Geldmenge zugelassen worden sei. –

Zum 1. Oktober 1990 gab Schlesinger seine Funktionen als Chefvolkswirt an den Würzburger Volkswirtschaftler Otmar Issing ab und übernahm anstelle des ausscheidenden Claus Köhler die Hauptabteilung K (Kredit). Damit ist er insbesondere zuständig für die laufende Geldmarktsteuerung und die Refinanzierung der Kreditinstitute bei der Notenbank sowie für alle Kapitalmarktfragen.

In der heftigen Diskussion um die Finanzierung der deutschen Einheit überraschte Schlesinger im Oktober mit dem unkonventionellen Vorschlag, in größerem Maße auch in den alten Bundesländern staatliche Beteiligungen zu privatisieren, um eine zu hohe Staatsverschuldung und die umstrittenen Steuererhöhungen zu vermeiden. Nach seinen Berechnungen hätten auf diese Weise bis zu 370 Milliarden D-Mark in die Bundeskasse fließen können. Der Denkanstoß erhielt den Beifall des Bundes der Steuerzahler, fand aber erwartungsgemäß wenig Widerhall bei Regierung und Opposition, was Schlesinger damit begründete, dass „viele dieser Gesellschafteten von den Politikern gern im öffentlichen Besitz gesehen werden, weil es da Verwaltungs- und Vorstandsposten gibt, die sich gut für personalpolitische Anliegen eignen.“

 

Prof. Dr. mult. Helmut Schlesinger hat jetzt einen Zweijahresvertrag für seine Präsidentschaft erhalten und wird dann 69-jährig in den Ruhestand gehen. Mit der Berufung Tietmeyers zum Vize hat Bundeskanzler Kohl seinen Vertrauten, seinen Sherpa, zunächst an die 2. Stelle der Bundesbank gehoben. Kohl weiß jetzt ganz sicher, dass seine Konzeption für die Europäische Währungsunion weiter entwickelt und durchgesetzt wird.

 

Der knapp 60-jährige Tietmeyer gilt als treuer Diener dieses Herrn, ohne dass man  dabei befürchten müsste, dass die so wichtige Unabhängigkeit der Bundesbank in absehbarer Zeit auf der Strecke bliebe. In diesem Punkte lassen weder Schlesinger noch der ehemalige Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Tietmeyer, mit sich handeln geschweige denn spaßen. Tietmeyer und Schlesinger sind ein gutes Gespann an der Spitze der deutschen Notenbank in einer Zeit, in der es darum geht, die Europäische Zentralbank nach dem Muster der deutschen Bundesbank aufzubauen und dies, wenn irgend möglich in Frankfurt.

 

Alte Kameraden: Weltwirtschaftsgipfel in London 1991

                                                                              

18.7.1991

Am Pariser Weltwirtschaftsgipfel vor zwei Jahren wurde zuvörderst die 200. Wiederkehr der französischen Revolution gefeiert. Aber Gorbatschow und die Russen machten von sich reden. Der sowjetische Präsident hatte einen hochoffiziellen Brief an Mitterand und die großen Sieben geschickt. Der Houstoner Gipfel 1990 stand unter dem Zeichen  der glorreichen deutschen Revolution und die Vereinigung Deutschlands machte die Behandlung der osteuropäischen Themen auf höchster Ebene immer dringlicher. Bundeskanzler Kohl versuchte schon von Texas aus, umfassende Hilfsaktionen für den Osten seitens der Industrienationen anzukurbeln. Er erreichte vielfach nur ein Achselzucken. Deutschland solle sich anstrengen, schließlich sei die Bundesrepublik der Hauptnutznießer der großen Wende.

 

Nun haben Kohl und Mitterand in den ersten Monaten 1991 diplomatisch durchgesetzt, dass die Sowjets zu einer Art Nachgipfel in London eingeladen wurden. Somit beherrschte schon seit längerem und besonders in den Gipfeltagen vom 15. – 17. Juli der Gipfelstürmer Gorbi die Schlagzeilen der Welt. Die tatsächlichen Erfolge des Sowjetpräsidenten – politisch und wirtschaftlich – standen aber in keinem angemessenen Verhältnis zu dem medialen Ereignis an der Themse. Die Deutschen setzten sich abermals für eine großzügige Wirtschaftshilfe für den Osten ein, mit dem Zusatz, nun seien die anderen gefordert. Deutschland habe gegeben, was es konnte: 40 Prozent der gesamten Osthilfe des Westens, ohne die Milliarden für die Gebiete der ehemaligen DDR.

 

Mit dem so genannten Start-Abkommen einigten sich Gorbatschow und US Präsident George Bush über die Begrenzung der Strategischen Waffen. Ansonsten ging der Russe leer aus in London, wenn da nicht doch noch der Konsens zustande gekommen wäre, die Sowjetunion an IWF- und Weltbank anzubinden, zu assoziieren, wenn das möglich wäre. Zumindest können die Sowjets jetzt an die Beratungskapazitäten dieser Welt-Geldhäuser heran. Politisch ebenso wichtig, vielleicht sogar noch bedeutsamer ist die Verpflichtung der G-7, dass die jeweils federführende Regierung die Russen auf ihrem langen Weg zurück in die arbeitsteilige Weltwirtschaft politisch begleitet.

 

Deshalb wird der britische Premier Major dieses Jahr noch einmal zu Konsultationen nach Moskau reisen. Nächstes Jahr sind die Deutschen dran, die Sowjets an die Hand zu nehmen.

 

Der Weltwirtschaftsgipfel in München wird 1992 einen weiteren Meilenstein in den west-östlichen Wirtschaftsbeziehungen setzen. Die Deutschen werden für eine weitere Aufwertung des Sowjetreiches im Kreise der Industrienationen sorgen. Neben der Erledigung des Arbeitsprogramms wird da zünftig gefeiert mit Blasmusik und Gebirgsschützen, mit Rahmenprogrammen in der Residenz und in Nymphenburg.

 

So ein Gipfel wie der in London hatte natürlich auch seine gesellschaftlich amüsanten oder skurrilen Seiten. Am 2. Tag des G-7-Treffs fand im Buckingham Palast auf Einladung der Königin ein festliches Abendessen statt, zu dem allerdings nur die Regierungsdelegationen zugelassen waren. Doch anschließend wurde der Kreis der Gäste erweitert z. B. um mich, der die Musik- und Lasershow im Innenhof des Palastes (die Briten sagen „quadrangle“ dazu) mitgenießen konnte.

 

Nebst typisch britischer Militärmusik wurden an die Fassaden des Schlosses per Lichtkanonen mehr oder weniger typische Symbole der sieben Gipfelländer projiziert oder das, was sich die knochigen Briten als typisch vorstellen. Peinlichkeiten gab es da genug.

 

Die Schau begann mit dem Einzug eines berittenen Musikcorps durch den zentralen Torbogen um 20 nach 10 (natürlich abends). Es gab ein Medley britischer Folksongs zum Besten und  erfreute damit die 1000 Gäste. Ein Laserstrahl zeichnete den Turm von Big Ben auf das Buckingham Gemäuer gegenüber der Königsloge. Ich saß darunter und konnte über diverse Spiegelungen die spannende Prinzessin Diana sehen. Die Uhr auf dem gelaserten Big Ben zeigte  exakt 10  und schlug auch zehn, war damit 20 Minuten verspätet. Das Essen der hohen Herrschaften hatte sich  verzögert. Die Elektroniker sahen sich nicht im Stande, die neue Lage einzukalkulieren. Im Laserzeitalter durchaus eine Panne.

 

Rechts und links tauchte das Symbol des Gipfels auf, der Erdball in der unteren Kurve eines S, das für „Summit“ (Gipfel) stehen sollte. Im Hof unten marschierten martialisch Musikcorps durch die Rundbögen: Rot befrackte Leibgarde, Irisch und Coldstream Garde, zwei Bands der kgl. Marine, zwei Bands der Luftwaffe, außerdem Pfeiffer und Trommler der Schottischen Garde. Gemeinsam und lautstark boten sie leicht aufgepoppte Militärmusik mit 340 Trommeln, Trompeten, Hörnern, Pfeifen und Dudelsäcken.

 

Dabei erschienen wie komprimierte Menetekel grelle Lichtzeichen auf der königlichen Fassade, die symbolhaft die einzelnen Länder darstellten. Für Kanada warb das Ahornblatt. Was denn sonst? Das Vereinte Europa wurde durch den Sternenkranz symbolisiert. Dabei ertönte die Europa-Hymne, Beethovens/Schillers Ode an die Freude. Alle Länder der G-7 wurden mit Musik, Landeswappen und geographischen Umrissen vorgestellt. So erschien das vereinigte Deutschland auf dem grauen Buckingham-Putz mit dem Brandenburger Tor als Gütezeichen für die friedliche Republik östlich des Rheins. Das klassische Tor mit seiner Quadriga wurde lässig im Kreise drehend gelasert, mal Kopf stehend, mal richtig rum. Wahrscheinlich sollte mit der beflügelten Bewegung der Bundesadler nachempfunden werden, den als Wappen auf der Königin Palast zu projizieren die Veranstalter sich offenbar nicht getraut haben. In der Begleitmusik wurde dafür ein bieder nationaler Ausgleich geschaffen. Ich konnte meinen Ohren kaum trauen: Die Briten spielten als deutsche Erkennungsmusik den Traditionsmarsch „Alte Kameraden“. In dem Potpourri mischte er sich unter „Frère Jacques, Frère Jacques“, „Chor der Gefangenen“, „Tulpen aus Amsterdam“(wegen der holländischen EG-Präsidentschaft), „God bless America“ zu Ehren des großen Bruders jenseits des Atlantiks und Sukiyaki für das Land der aufgehenden Sonne. „Land of Hope and Glory“ hatte sich der britische Premier  John Major gewünscht.

 

Bei der Silhouette der britischen Inseln fiel auf, dass das Vereinigte Königreich ohne Nordirland erschien und Japan ohne die von den Sowjets annektierten Kurilen auskommen musste. Nach den Ideen der Showmaster rangen – typisch für Japan – fette Sumo-Kämpfer und es winkte natürlich der Fujiyama. Insgesamt hätten die Regierungschefs der Sieben auch kulturreichsten Nationen Besseres verdient.

 

Peinlich wurde die Lichtshow der „Definitive Laser Company“, als die Symbole der sieben Währungen am Palast auf- und abzutanzen begannen, und schließlich in den Summit-Globus hineinschlüpften, letztlich die ganze Erde mit ihrem Geldwert überdeckend und darin verschwindend: Geld verdeckt, bedeckt die Welt, eine dumme Geschmacklosigkeit.

 

Irgendwann zogen die alten Kameraden Britanniens wieder ab durch die drei Torbögen des Quadrangle in Richtung Mall, angeführt von dem in London hoch geschätzten Flötisten James Galway. Galway strahlte für die Weltwirtschaftsgipfelstürmer der sieben reichsten Nationen mit den etwas flachen Musicaltupfern „Wenn ich einmal reich bin“ und „Money, Money, Money“. Das Buckingham-Puzzle wurde durch ein imposantes Brillantfeuerwerk, unterlegt mit Händels Feuerwerkmusik abgeschlossen. Am Ende sollte Gott die Königin schützen. So war es am Dienstagabend, dem 16. Juli 1991, in London auf dem Geldwirtschaftsgipfel, den am Mittwoch auch noch der sowjetische Präsident Michail Gorbatschow besteigen durfte. Von Anfang an hatten sie ihn nicht zugelassen. In München wird Russland bei G-7 voll anerkannt werden.

 

Abkehr vom Geist von Maastricht

 

Am 7. Februar (92) unterzeichnen die EG-Außenminister in Maastricht die Abkommen zur Wirtschafts- und Währungsunion bzw. zu Politischen Union, wie sie die europäischen Regierungschefs Anfang Dezember dort  verabschiedet haben. Der exakte Vertragstext liegt noch nicht vor, aber die Inhalte sind weitestgehen bekannt. Man weiß auch, was nicht drinsteht, aber drinstehen sollte, nämlich wo die geplante europäische Zentralbank ihren Sitz haben soll. Da muss noch im laufenden Jahr manches vereinbart werden. Ein riesiger Kuhandel steht ins Haus.

 

Wie schwer hier eine Entscheidung zu finden sein wird, deutete sich schon im Dezember an. Lange Zeit galt es als abgemachte Sache, dass die EG-Zentralbank nach Frankfurt kommt und Frankreich im Gegenzug das europäische Parlament beherbergen wird. Straßbrug sollte alleiniger Sitz. Das fait accompli von Mitterand und Kohl scheiterte aber aus zweierlei Gründen. Die in Maastricht den Vorsitzen führenden Niederlande forderten auf sehr unkonventionelle Weise, die EG- Zentralbank in Amsterdam zu errichten und boten den Franzosen, wie es die Deutschen auch schon getan hatten, den vollen Sitz der Euro-Parlaments an. Der teure Wanderzirkus von Brüssel über Luxemburg nach Straßburg sollte ein Ende haben.

 

Die lautstarke Forderung der Niederlande, die Zentralbank auf Kosten Brüssels nach Amsterdam zu holen, hat die Belgier genau so vergrätzt, weil auch die Rechnung zu ihren Lasten aufgemacht wurde. Brüssel will nicht auf das Europa-Parlament verzichten. Es soll am Sitz der EG-Kommission verbleiben. Die Lösung um die hohen EG-Behörden und Amtssitze wird nicht einfacher dadurch, dass Luxemburg schon im ersten EWG-Vertrag (50er Jahre) zugesichert worden war, dass die europäischen Finanzinstitutionen im Großherzogtum angesiedelt werden sollen. Damit sitzen bei den Verhandlungen über das Domizil der Euro-Zentralbank Paris, Bonn, Amsterdam, Luxemburg und Brüssel mit eigenen politischen Interessen am Tisch und natürlich wollen die anderen EG-Mitglieder ein Wörtchen mitreden.

 

In diesem politischen Interessenspiel hat Paris alle Karten in der Hand. Bis auf Brüssel macht den Französen niemand das Europäische Parlament streitig. Frankreich kann also damit rechnen, das Parlament uneingeschränkt nach Straßburg zu bekommen. Außerdem kann Frankreich eine mehr als mitbestimmende Rolle bei der Sitzfestsetzung für die Zentralbank spielen. Paris kann für Bonn votieren oder auch für Amsterdam, ohne Gefahr zu laufen bei Straßburg etwas zu verlieren. Bonn muss also in Paris nachfragen, wie die Stimmung ist, ob sich Frankreich mit Freundlichkeit herab- und Frankfurt zulässt.

 

Derzeit scheinen die Franzosen dazu aber wenig Neigung zu haben. Kürzlich hat Francois Mitterand, der französische Staatschef, schon die Bonner Abkehr vom Geist von Maastricht beklagt. Dies zeige sich nicht nur in der Anerkennung von Slowenien und Kroatien durch die Deutschen sonders insbesondere auch durch die harte Hochzinspolitik der Bundesbank, die auch Zins treibende Rückwirkungen auf Frankreich zeigt.

 

Auch wenn es die Bundesbankspitze nicht wahrhaben will, die Franzosen bemäkeln die deutsche Geldpolitik. Paris wird seine Konsequenzen daraus ziehen, übrigens ohne Gefahr für die europäische Währungsunion, denn in Maastricht wurde den Deutschen bereits die Geldsouveränität per Ende des Jahrzehnts abgeknöpft. Um es kurz zu sagen, zurzeit steht es schlecht um das Anliegen Frankfurts, die EG-Zentralbank hierher zu bekommen. Bonn hat nichts mehr zu bieten, um den Europäern Frankfurt schmackhaft zu machen.

 

In gewisser Weise wirft die Bundesbank schon die Flinte ins Korn. Das Direktorium hat am 14. Januar (92) entschieden, die Planung für einen Erweiterungsbau auf dem Bundesbankgelände in Frankfurt nicht weiter zu verfolgen: Die Begründung: Angesichts der Entwicklung zu einem Europäischen Zentralbanksystem, in dem Aufgaben der nationalen Notenbanken neu geordnet werden, hält das Direktorium es derzeit nicht für vertretbar, umfassende Neubaumaßnahmen mit erheblichen Aufwendungen durchzuführen. Ferner sei nicht überschaubar, wie die anstehende Änderung des Bundesbankgesetzes die Struktur der Bank verändern wird. Bei der Entscheidung des Direktoriums hat auch die bisherige und absehbare Kostenentwicklung eine wichtige Rolle gespielt, wird mitgeteilt. Als Schlussfolgerung kann daraus nur gezogen werden: Die Bundesbank weiß nicht, wie sie sich inhaltlich wieder findet, wenn die Europäische Zentralbank kommt – wo auch immer in Europa. Außerdem ist der Bundesbank (die selbst das Geld macht!) das Bauen zu teuer geworden. Ihre Zinsen sind zu hoch!

 

Das waren noch Zeiten, als der damalige Bundesbankpräsident, Pöhl, schlicht anmerkte: Da tauschen wir in der Wilhelm-Epsteinstraße nur die Schilder aus und haben flugs die EG-Zentralbank.

 

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10 Jahre Euro –Wie er wurde, was er ist

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