PwC:

Emissionsmarkt Deutschland –

IPOs bleiben aus – Ausblick auf zweites Halbjahr positiver

Frankfurt/Main (29.6. 23) – Der deutsche Emissionsmarkt kommt im laufenden Jahr bislang nicht in Schwung: Im zweiten Quartal verzeichnete die Frankfurter Börse keine einzige Erstnotiz. Auch die Kapitalerhöhungen verharren auf tiefem Niveau. Einziger Lichtblick ist die deutliche Erholung der Investmentgrade-Fremdkapitalemissionen. Der für Anfang Juli geplante Börsengang von Thyssenkrupp Nucera könnte den Start in ein aus Emissionssicht besseres zweites Halbjahr markieren. Zu diesen Ergebnissen kommt die Analyse „Emissionsmarkt Deutschland“, für die das Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen PwC vierteljährlich die Aktienneuemissionen an der Börse Frankfurt erfasst.
Aktienmarktumfeld zuletzt stabilisiert

 

„Im ersten Halbjahr 2023 war die Situation am Aktienmarkt geprägt von

Rezessionsängsten und der Unsicherheit, inwiefern es den

Zentralbanken gelingt, die Inflation zu bekämpfen. In den vergangenen

Wochen scheint sich die Lage an den Kapitalmärkten aber stetig zu

verbessern – dank der zuletzt eher zurückhaltenden Zinspolitik und

positiven makroökonomischen Daten“, kommentiert Stephan Wyrobisch,

PwC-Experte für Kapitalmarkttransaktionen. So ist der DAX seit

Jahresbeginn um 12,5 Prozent gestiegen

und erreichte im Juni sogar ein neues Allzeithoch. Gleichzeitig ist

die Volatilität – ebenfalls ein Indikator für Unsicherheit am

Kapitalmarkt – derzeit vergleichsweise gering, was grundsätzlich

Transaktionen begünstigen sollte.

 

„Trotz der im ersten Halbjahr 2023 guten Indexperformance waren die

Handelsvolumina eher gering und viele Investoren agierten sehr

vorsichtig. Seit einigen Wochen beobachten wir, dass Fondsmanager

wieder verstärkt in Aktien investieren“, erläutert Wyrobisch.

 

Schwächstes erstes IPO-Halbjahr seit 2020

 

In Sachen Börsengänge war das zweite Quartal trotzdem eine

Enttäuschung: Die Frankfurter Börse registrierte kein einziges

Initial Public Offering (IPO). Bereits das erste Quartal verlief mau:

Mit dem Internetdienstleister IONOS ging nur ein Unternehmen an die

Börse und spielte dabei 389 Millionen Euro ein. Gemessen am

Emissionsvolumen ist damit das erste Halbjahr 2023 der schwächste

Jahresanfang seit dem durch Corona geprägten Jahr 2020.

 

Mit Beginn des dritten Quartals könnte es jedoch zu einem größeren

IPO auf dem Frankfurter Parkett kommen: Mitte Juni hat Thyssenkrupp

angekündigt, seine Wasserstofftochter Thyssenkrupp Nucera noch vor

der Sommerpause an die Börse bringen zu wollen. Die Transaktion ist

seit längerem in der Pipeline, wegen schwieriger Marktbedingungen

aber verschoben worden.

 

Kapitalerhöhungen auf niedrigem Niveau

 

Mit Blick auf die Kapitalerhöhungen verlief das zweite Quartal

unspektakulär: Sechs Unternehmen besorgten sich zwischen April und

Juni frisches Geld über eine Kapitalerhöhung (Q1 2023: acht). Das

Emissionsvolumen lag bei 434 Millionen Euro und damit deutlich unter

dem Wert des ersten Quartals (1,86 Milliarden Euro).

 

Den Löwenanteil machte die Kapitalerhöhung der Gerresheimer AG aus:

Der Hersteller von Arzneimittel- und Kosmetikverpackungen sammelte

bereits im April auf diesem Weg 272 Millionen Euro ein, um seine

Wachstumsstrategie weiter zu verfolgen. Die zweite nennenswerte

Kapitalerhöhung im zweiten Quartal tätigte Shop Apotheke Europe NV:

Das Handelsunternehmen holte sich 115 Millionen Euro an frischen

Mitteln, um die Gründung eines Joint Ventures mit dem Schweizer

Gesundheitsdienstleister Galencia zu

finanzieren.

 

Fremdkapitalemissionen steigen deutlich an

 

Einen Lichtblick bieten die Fremdkapitalemissionen: Sowohl das

Emissionsvolumen als auch die Anzahl der Emissionen für Investment

Grade Bonds haben sich im ersten Halbjahr 2023 gegenüber dem Vorjahr

deutlich erholt. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum stieg das

Emissionsvolumen zwischen Januar und Juni steil an -auf 41,9

Milliarden Euro (1. Halbjahr 2022: 27,6 Milliarden Euro).

 

Im High-Yield-Grade ist dagegen keine Erholung in Sicht: Dieser Markt

ist mit Beginn der Zinserhöhungen stark eingebrochen. In der ersten

Jahreshälfte 2023 lag das Volumen nur bei 4,1 Milliarden Euro; 2021

war es im gleichen Zeitraum mit 15,1 Milliarden Euro mehr als drei

Mal so hoch.

 

„Anders als im Investment-Grade-Umfeld ist im High-Yield-Bereich

aktuell keine deutliche Erholung in Sicht. Auch mittelfristig werden

das volatile Marktumfeld sowie die hohen Basiszinsen und Spreads die

Emittenten zurückhalten“, so die Einschätzung von Stephan Wyrobisch.

 

Börsengang von Nucera als Gradmesser für die Stimmung

 

Mit Blick auf mögliche Börsengänge im Jahresverlauf zeigt sich

Stephan Wyrobisch vorsichtig optimistisch: „Die Märkte scheinen sich

gefestigt zu haben, das Gros an Zinsschritten liegt erstmal hinter

uns und eine Rezession scheint in weiten Teilen der Welt zunächst

abgewendet. Auf dieser Basis sind Investoren auch wieder bereit, sich

bei Neuemissionen zu engagieren.“

 

Der PwC-Experte ist zuversichtlich, dass sich nach der Sommerpause

ein Zeitfenster öffnet, in dem Börsengänge erfolgreich über die Bühne

gehen können.

 

„Ein sich kurzfristig ergebendes günstiges Zeitfenster können

natürlich nur solche Emittenten nutzen, die sich frühzeitig und

unabhängig von der aktuellen Marktsituation auf diesen Schritt

vorbereitet haben“, erklärt Wyrobisch.

 

Ein wichtiger Gradmesser für die Aufnahmefähigkeit der Märkte ist

seiner Meinung nach der geplante Börsengang von Thyssenkrupp Nucera.

 

„Wenn diese Transaktion gelingt, sind wir zuversichtlich, dass

weitere Börsengänge in der zweiten Jahreshälfte und Anfang 2024

folgen werden“, so das Fazit des Kapitalmarktexperten.

 

Über die Analyse:

Im „Emissionsmarkt Deutschland“ analysiert PwC vierteljährlich

sämtliche Aktienneuemissionen sowie Kapitalerhöhungen an der Börse

Frankfurt. Darüber hinaus werden Neuemissionen von

Unternehmensanleihen deutscher Emittenten erfasst. Die Angaben der

Kapitalerhöhungen basieren auf Informationen von Refinitiv, Bloomberg

und Capital IQ und beinhalten Transaktionen bis einschließlich 23.

Juni 2023.